DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2025 zu Künstlicher Intelligenz

KI im Fahrzeug: Sicherheit und Zuverlässigkeit müssen gewährleistet sein

22. Okt. 2025 Sicherheit im Verkehr

In der zunehmenden Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in Straßenfahrzeuge steckt grundsätzlich erhebliches Potenzial für mehr Verkehrssicherheit. „Nicht außer Acht gelassen werden dürfen aber auch die hohen Risiken, die mit dem – nie auszuschließenden – Versagen von KI-Systemen verbunden sein können“, warnt Xavier Valero, Director Artificial Intelligence & Advanced Analytics bei DEKRA. Umso wichtiger seien deshalb Vorschriften und Normen wie etwa das KI-Gesetz der EU als rechtlicher Rahmen für die Entwicklung solcher Systeme. Das Thema ist eines von vielen im aktuellen DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2025 „Mobilität im Wandel der Zeit“.

  • Strenge Test- und Validierungsverfahren von KI-Systemen unerlässlich
  • Schlüsselrolle für DEKRA bei Förderung von KI-Sicherheit in Fahrzeugen
  • Potenzielles menschliches Versagen verschiebt sich Richtung IT-Design
Ob zur Erkennung von Verkehrszeichen, zu Fuß Gehenden, Radfahrenden oder Fahrzeugen, zur Überwachung des Reifendrucks oder der Motortemperatur oder zur Einleitung automatisierter Brems- oder Spurwechselvorgänge: Zukünftig übernehmen in immer mehr Fahrzeugen Advanced Driver Assistance Systems (ADAS) wichtige Aufgaben. Da jedoch eine Fehlfunktion Gesundheit und Leben von Menschen gefährden könnte, hat die EU in ihrem 2024 verabschiedeten KI-Gesetz solche ADAS als Hochrisiko-Systeme eingestuft. „Diese Systeme, die für die Fahrsicherheit von entscheidender Bedeutung sind, müssen daher einer strengen Aufsicht und Validierung unterliegen, um ihre Zuverlässigkeit zu gewährleisten und Risiken zu vermeiden“, betont Xavier Valero.
Das KI-Gesetz lässt dabei auch Ausnahmen zu, wenn KI-Systeme bereits im Einklang mit bestehenden Regelungen wie der Fahrzeugtypgenehmigung (Verordnung EU 2018/858) bewertet wurden. Das bedeutet, dass Sicherheitseinrichtungen wie ADAS, obwohl sie indirekt durch das KI-Gesetz geregelt sind, durch bestehende Typgenehmigungsverfahren validiert werden können, ohne dass zusätzliche Bewertungen durch Dritte erforderlich sind. „Neben der Gewährleistung, dass ihre Systeme die Anforderungen des KI-Gesetzes erfüllen, müssen die Systemanbieter auch ein umfassendes KI-Managementsystem mit klaren Richtlinien und Arbeitsabläufen innerhalb ihrer Organisation etablieren“, ergänzt der DEKRA Experte. Darüber hinaus müssten alle Beteiligten – vorgelagerte Technologielieferanten, nachgelagerte Integratoren und die Hersteller – dazu beitragen, die Systemsicherheit, Datensicherheit und Transparenz zu gewährleisten. „Ein umfassendes Qualitätsmanagementsystem über den gesamten KI-Lebenszyklus hinweg ist für die vollständige Konformität erforderlich, da dadurch sichergestellt wird, dass alle Aktivitäten nachvollziehbar und überprüfbar bleiben“, so Xavier Valero.

Kontinuierliche Überwachung

Leitlinien für die Sicherheit von KI-Systemen in der Automobilindustrie bietet die ISO/PAS 8800. Diese deckt den gesamten KI-Lebenszyklus vom Entwurf bis zum Einsatz ab und gewährleistet, dass die Systeme in jeder Phase sowohl sicher als auch zuverlässig sind. Die Norm ergänzt die ISO 26262 (funktionale Sicherheit) und die ISO 21448 (SOTIF – Sicherheit der beabsichtigten Funktionalität), um potenziellen Risiken zu begegnen, die mit KI-gesteuerten Systemen verbunden sind. Sie betont zudem die Bedeutung der Kontrolle der Datenqualität, der Systemvalidierung und der kontinuierlichen Überwachung während des Betriebs.
DEKRA spielt bei der Förderung sicherer und zuverlässiger KI-Anwendungen in Straßenfahrzeugen eine Schlüsselrolle. Die unabhängige Expertenorganisation beteiligt sich an der regulatorischen Diskussion, verfügt über Know-how für die Gestaltung von Best Practices und bietet Training, Bewertung und Zertifizierung nach ISO 8800 an. Damit sollen die Hersteller gewährleisten können, dass ihre KI-Systeme den höchsten Sicherheitsstandards entsprechen.

Moralische Dilemmata experimentell untersucht

Mit dem Einsatz von KI-Systemen in Fahrzeugen gehen zugleich auch Herausforderungen etwa in Bezug auf ethische Fragestellungen und die Gewährleistung des fundamentalen Schutzbedürfnisses einher. „Je höher der Automatisierungsgrad, desto stärker verschieben sich die Ursachen für Unfälle vom menschlichen Versagen im Fahrzeug selbst zum menschlichen Versagen beim IT-Design hinter der Mensch-Maschine-Schnittstelle“, erläutert DEKRA Verkehrspsychologe Dr. Thomas Wagner. Denn wer die Software für die KI im Fahrzeug entwickle, müsse eine Vielzahl an Entscheidungen treffen. So etwa über das Verhalten vollautomatisierter Fahrzeuge im Falle eines unvermeidbaren Unfalls und zur Frage, wem potenziell Schaden zugefügt werden soll.
„Im Kern geht es dabei um programmierte Entscheidungsroutinen zur Aufteilung des Risikos für eintretende Schäden zwischen den verschiedenen Unfallbeteiligten“, führt der DEKRA Experte weiter aus. Autohersteller und politische Entscheidungsträger hätten mit diesen moralischen Dilemmata gleichermaßen zu kämpfen. Schließlich sei ein Konsens über die Prinzipien solcher Entscheidungen vor allem für die Bevölkerung von besonderer Bedeutung, da vollautomatisierte Fahrzeuge sonst gesellschaftlich wenig akzeptiert und genutzt werden.
Um die gesellschaftlichen Erwartungen an die ethischen Grundsätze in Bezug auf das Konfliktverhalten vollautomatisierter Fahrzeuge zu quantifizieren, hat eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Briten Edmond Awad schon vor ein paar Jahren das „Moral Machine“-Experiment entwickelt. Die Teilnehmenden mussten dabei aus unvermeidbaren Unfallszenarien mit zwei möglichen Ergebnissen – das vollautomatisierte Fahrzeug weicht aus oder bleibt auf seinem Kurs – die von ihnen bevorzugte Variante wählen. Die Sammlung der „Moral Machine“ umfasste am Ende knapp 40 Millionen Entscheidungen von Millionen von Menschen in 233 Ländern beziehungsweise Regionen. Insgesamt wurden 130 Länder in drei grobe Cluster eingeordnet: das westliche Cluster (Nordamerika und viele europäische Länder), das östliche Cluster (zum Beispiel Japan und islamische Länder) und das südliche Cluster (Länder in Mittel- und Südamerika).
Zwischen den drei Clustern zeigten sich bei einigen Präferenzen deutliche Unterschiede. So war zum Beispiel die Präferenz, jüngere Personen gegenüber älteren und Personen mit höherem Status gegenüber Personen mit niedrigerem Status zu schonen, in Ländern des östlichen Clusters deutlich niedriger ausgeprägt als im westlichen Cluster. Länder des südlichen Clusters zeigten im Vergleich zu den anderen beiden Clustern eine deutlich schwächere Präferenz für die Schonung von Menschen gegenüber Haustieren. Lediglich die Präferenz für die Schonung von zu Fuß Gehenden gegenüber Insassen und die Präferenz für die Schonung rechtskonformer Verkehrsteilnahme gegenüber unrechtmäßigen Verhaltensweisen scheinen in allen Clustern in gleichem Maße vorhanden zu sein.
„Die Ergebnisse dieses Experiments zeigen, wie vielschichtig und komplex die Fragen sind, die bei der Programmierung zu entscheiden sind“, so Dr. Wagner. „Eine intensive gesellschaftliche Diskussion und ein möglichst internationaler Konsens sind in Zukunft unerlässlich.“
Weitere Hintergründe zum Thema wie auch zu vielen weiteren Aspekten rund um die „Mobilität im Wandel der Zeit“ finden sich im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2025. Er steht unter www​.dekra-roadsafety​.com zur Verfügung.